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Leben mit erhöhtem Psychoserisiko

„Ich fühle mich wie einem Traum.“ · „Von überall her schießen Eindrücke auf mich ein, ich kann mich nicht mehr konzentrieren.“ · „Meine Gedanken überschlagen sich.“ · „Ich habe Angst verrückt zu werden.“ · „Ich höre meine Gedanken in meinem Kopf, als würden sie von einer Stimme laut gesagt werden.“ · „Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Die Zeit vergeht viel langsamer / schneller als sonst.“ ·  „Meine Gedanken entgleiten mir.“ · „Habe ich eine Psychose?“ · „Ich kann nicht mehr wie gewohnt denken.“ · „Völlig alltägliche Situationen wirken plötzlich bedrohlich.“ · „Manchmal sehe ich Schatten/Gestalten und bin mir nicht sicher, ob sie wirklich da sind.“ · „Ich fühle mich als wäre ich ständig bekifft/high.“ · „Mein Körper fühlt sich fremd an.“ · „Ich sehe Bilder vor meinem inneren Auge, die nicht mehr weggehen.“ · „Die Welt wirkt künstlich, nicht echt.“ · „Wenn ich mit jemandem rede, höre ich meine Stimme, als wäre sie die einer anderen Person.“

Das sind Beschreibungen / Zitate / Gedanken von Menschen, die Erfahrungen mit der UHR Symptomatik machen. Man fühlt sich irgendwie verändert, kann den Zustand aber meist nicht genau benennen. Anders als beispielsweise bei Halluzinationen oder paranoiden Wahnvorstellungen kann man diese neuen Erfahrungen noch als unreal / fragwürdig einstufen. Klar ist, die eigene Wahrnehmung hat sich verändert und man ist in der Lage das festzustellen, was oft zu großen Ängsten und ständiger Besorgnis führen kann. Diese Angst kann die belastenden Symptome noch weiter verschlimmern. Und das Internet hilft dabei oft gar nicht: Betroffene googeln ihre Symptome und es poppen sofort große, bedrohliche Begriffe, wie „Psychose“, „Schizophrenie“ oder „Wahnvorstellungen“ auf.

Trotz der so intensiv wahrgenommenen Bewusstseinsveränderungen, können andere von außen (Freund:innen, Familie, Arbeits- / Bildungsumfeld) oft gar keinen Unterschied im Verhalten feststellen. Von außen sieht man vielleicht eine Person, die ihr Leben mit einigen Einschränkungen wie gewohnt weiterführt. Was sich alles unter der Oberfläche abspielt, kann oft lange versteckt und unausgesprochen bleiben. Nur der Stress und die Angstgefühle, die durch die Symptomatik ausgelöst werden, kommen zum Vorschein. Weil Menschen mit UHR meist unauffällig wirken, wird ihr Zustand oft abgetan, nicht ernst genommen oder falsch diagnostiziert. Die Betroffenen ziehen sich aus Unsicherheit oft zurück und meiden Kontakte mit anderen.

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Fragen tauchen auf

„Was habe ich?“

Die Antwort kann, muss aber nicht unbedingt heißen UHR. Die verschiedenen Symptome können ihren Ursprung auch in einer anderen Erkrankung haben oder nur vorübergehend auftreten. Auch UHR oder erhöhtes Psychoserisiko (ein alternativer Begriff) ist keine Diagnose, die man ein Leben lang hat, sondern die Beschreibung eines (meist) temporären Zustands, der sich wandelt und veränderbar ist.

„Wie lange wird das anhalten?“
Das ist von Person zu Person verschieden. Auch kann es sein, dass einzelne Symptome schnell wieder verschwinden, während andere länger vorhanden bleiben. Eine psychotherapeutische Behandlung kann in den allermeisten Fällen helfen (besonders, wenn der:die Psychotherapeut:in Erfahrung im Umgang mit UHR hat). Medikamentöse Unterstützung, auch zur gezielten Behandlung einzelner Symptome kann, wenn dies von der betroffenen Person erwünscht ist, ausprobiert werden.
„Wann geht es wieder vorbei?“
Ein genaues Ende ist oft nicht absehbar. Aber so wie es ist, muss es nicht bleiben! Es gibt sehr viele Strategien damit umzugehen, es geht nur darum, die richtige für einen selbst zu finden und die richtigen Menschen, die einem dabei helfen können.
„Sind das Anzeichen für eine ernstzunehmende Krankheit?“
Diese Symptome sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wenn man sich nicht mit ihnen auseinandersetzt, können sie möglicherweise überhandnehmen und schlimmstenfalls tatsächlich in eine Psychose führen. Das ist aber dennoch kein Grund für Panik! Denn gerade, wenn man noch in der Lage ist zu erkennen, dass etwas nicht stimmt und dass sich etwas an einem zum Negativen verändert, ist der beste Zeitpunkt, um zu handeln. Grundsätzlich sind die einzelnen Symptome von UHR für sich genommen keine Seltenheit und irgendeines davon tritt sogar bei den meisten Menschen im Laufe ihres Lebens irgendwann auf.
„Ist mein Denken für immer ‚gestört‘?“
Nein. Bei manchen haben die kognitiven Schwierigkeiten zwar einen Einfluss auf das Denken, aber sobald man diese in den Griff bekommt, sollte sich das wieder bessern. Wichtig ist auch zu bedenken, dass man nicht sein Zustand IST. Das heißt: „Ich bin immer noch dieselbe Person, nur leide ich unter Symptomen, die aber veränderbar sind.“
„Werde ich wieder wie vorher?“
In den allermeisten Fällen kann man in psychiatrischer Behandlung, durch Psychotherapie, Erlernen von Skills und selbstwirksames Handeln, und eventuell auch mit Medikamenten eine eindeutige Besserung erreichen oder zumindest daran arbeiten einen Weg zu finden mit den belastenden Symptomen umzugehen, sodass sie weniger Leid verursachen.
„Was kann ich tun, damit das weggeht?“

Es gibt eine Reihe von Dingen, die ausprobiert werden können. Im Rahmen der Psychotherapie und der psychiatrischen Behandlung ist für Betroffene Psychoedukation sehr wichtig. Psychoedukation heißt im Prinzip nichts anderes als mehr über den eigenen psychischen Zustand und dessen Ursachen herauszufinden. Zu verstehen, woher die Symptomatik kommt und einen Namen/Begriffe für die einzelnen Phänomene (z.B. Depersonalisation/Derealisation, Gedanken-laut-werden, Gedankenentzug, Reizüberflutung, Wahrnehmungsveränderungen) zu haben, kann den UHR-Betroffenen ein Gefühl von Kontrolle zurückgeben und ihnen die Angst und Machtlosigkeit angesichts der eigenen Situation nehmen, was oft schon allein zur Besserung beiträgt. Außerdem gibt es Berichte, dass ganz allgemein hilfreiche Maßnahmen, wie etwas mehr Struktur im Tagesablauf, regelmäßiger Sport und Fokussierung auf konkrete Aufgaben (wie etwa eine Arbeit, die einem Freude bereitet) die Symptome abschwächen oder zurückgehen lassen. Schließlich eine sehr wichtige Empfehlung ist auch den Konsum von Drogen / bewusstseinsverändernden Substanzen jeglicher Art umgehend einzustellen, denn dieser kann die Symptomatik oft deutlich verstärken. Die Liste an Dingen, die man tun kann, um die UHR-Symptomatik zu lindern ist lang und das waren nur ein paar Beispiele. In medizinischen Einrichtungen oder bei Fachärzt:innen und Therapeut:innen, die darauf spezialisiert sind kann speziell auf die vorhandene Symptomatik eingegangen werden und ein entsprechender Therapieplan erstellt werden.

„Bin ich schuld an diesem Zustand? Habe ich mich falsch verhalten?“
Nein. Schuldgefühle sind sehr häufig bei Menschen, wenn eine psychiatrische Symptomatik zum ersten Mal auftritt. Vor allem, wenn die Personen Drogen/bewusstseinsverändernde Substanzen konsumiert haben, ist der Reflex sich selbst und dem eigenen Verhalten die Schuld zu geben oft schnell passiert. Doch wie viele Menschen konsumieren mehr oder öfter Substanzen und tragen nie eine UHR-Symptomatik als Folge davon? Alle Menschen sind anders. Manche haben eine höhere Vulnerabilität (siehe Vulnerabilitäts-Stress-Modell), das heißt sie sind empfindlicher gegenüber Einflüssen oder Veränderungen als andere und können stärker auf sie reagieren. Wenn man dies mit körperlichen Besonderheiten wie z.B. Erdnuss-Allergie vergleicht, käme jedoch niemand auf die Idee, einer Person für die Symptome, die sie nach dem Essen von Erdnüssen bekommt, die Schuld zu geben. Genauso wie eine Lebensmittelvergiftung kein Grund ist zu sagen: „Ich bin schuld. Ich habe mein Leben ruiniert.“ Schuldgefühle können den eigenen Zustand oft noch weiter verschlechtern und einen tiefer hinunterziehen. Das Beste ist daher, zu versuchen, sie loszulassen.
„Sollte ich mir medizinische Hilfe suchen? Wo?“

Sich Hilfe zu holen, wenn man unter einer neu aufgetretenen Symptomatik leidet, ist immer eine gute Idee. Ein Erstgespräch in einer zuständigen Einrichtung, wie zum Beispiel der Früherkennungsambulanz im AKH, kann Klarheit schaffen und im Zweifelsfall kann anderen möglichen Verdachten nachgegangen werden. Die Einbettung in die Univ. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sollte dabei kein Grund zur Sorge sein! Wer Berührungsängste mit Psychiatrien hat oder Angst hat, sofort als verrückt abgestempelt zu werden, kann beruhigt bleiben. An der Früherkennungsambulanz arbeiten einfühlsame Ärzt:innen, die auf die Patient:innen individuell eingehen, Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen und Lösungen anbieten, aber niemand wird zu medikamentöser Therapie oder stationärer Aufnahme gezwungen (es handelt sich hierbei nur um Angebote). Erste Ansprechperson können niedergelassene Fachärzt:innen für Psychiatrie im ambulanten Bereich sein. Eine Begutachtung an der Spezialambulanz zur Früherkennung von Psychosen der klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie ist nach telefonischer Terminvereinbarung möglich.

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