Projektverlauf und Inhalte
Bereits der Projektantrag zu VOICE wurde zusammen mit einer Co-Forscherin mit gelebter Erfahrung (ultra-high risk for psychosis; UHR) verfasst.
In einem ausgeglichenen Forschungsteam bestehend aus sechs Co-Forscher:innen und sechs klinischen Expert:innen wurde die weitere Projektplanung durchgeführt. Das Kernteam, bestehend aus zwei Co-Forscherinnen mit gelebter UHR-Erfahrung und zwei Psychiaterinnen war für die Projektkoordination und -leitung zuständig. Neben dem Kernteam wurde ein Studienbeirat, bestehend aus vier Psychiater:innen und vier weiteren Co-Forscher:innen mit gelebter Erfahrung zusammengestellt. Gemeinsam wurde in mehreren Workshops über Definitionen, Begriffe und Diagnose- und Behandlungsverfahren im Bereich des erhöhten Psychoserisikos (UHR) reflektiert und überlegt, welche konkreten Maßnahmen dazu beitragen könnten, die Erkenntnisse des aktuellen medizinischen Wissensstandes mit den Bedürfnissen der Betroffenen in Einklang zu bringen.
Die Maßnahmen
In Zusammenarbeit von Co-Forscher:innen mit gelebter UHR-Erfahrung und psychiatrisch tätigen Ärzt:innen mit besonderer fachlicher Expertise im Bereich UHR wurden unterschiedliche Outcomes erarbeitet:
How-To-Guide
Wir möchten durch unser Projekt dazu anregen, Co-Forscher:innen mit gelebter Erfahrung als aktive Mitgestalter:innen in die Forschung einzubinden. Deshalb wurde im Rahmen des Projektes in partizipativer Zusammenarbeit ein How-to Guide geschaffen, der eine Hilfestellung zur Einbindung von Personen mit ultra-high risk for psychosis (UHR) gibt.
Instagram Account
Der Instagram Account theofficialvoiceproject soll in der Öffentlichkeit Bewusstsein für das Zustandsbild des erhöhten Psychoserisikos (ultra-high risk for psychosis, UHR) schaffen. Zudem sollen Personen mit UHR-Erfahrung Information und Hilfestellung erhalten. Auch partizipative Forschung und Zusammenarbeit von Personen mit gelebter Erfahrung, Patient:innen und klinischen Expert:innen sollen durch den Account mehr Bekanntheit gewinnen und der Dialog zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und dem klinischen Bereich verbessert werden.
Wissenschaftliche Publikationen
Homepage VOICE
Diese Homepage zielt darauf ab, Information und Erfahrungen zum erhöhten Psychoserisiko zu vermitteln. Außerdem soll die Einbindung von Co-Forscher:innen mit gelebter Erfahrung als aktive Mitgestalter:innen von Forschung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Präsentation von Projekt und Ergebnissen
Jour Fixe
Mit dem Jour fixe wurde im Rahmen des Projektes VOICE die Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch für Personen mit erhöhtem Psychoserisiko geschaffen. Die Möglichkeit zur Teilnahme erfolgt nach Abklärung über die Spezialambulanz zur Früherkennung von Psychosen der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, klinische Abteilung der Sozialpsychiatrie oder über andere psychiatrische Institutionen bzw. Fachärzt:innen für Psychiatrie mit Erfahrung in der Früherkennung von Psychosen und Behandlung von “ultra-high risk for psychosis”.
Reflexionen der Teilnehmer:innen
Von den Teilnehmer:innen verfasste Reflexionen zu den Erfahrungen innerhalb des partizipativen Projektes VOICE sollen einen Eindruck vermitteln, wie die Zusammenarbeit und das Projekt erlebt wurden:
Eine Reise in unerforschte Gebiete, die ich doch zugleich glaubte, erforscht zu haben. Ins Gepäck kamen Neugier, Spannung und eine Portion Ungewissheit bezüglich dessen, was uns erwarten, und was uns begegnen, würde.
Und da waren wir, 12 Menschen, die sich kannten und auch nicht. 12 Expert*innen, jede auf dem eigenen Gebiet. 12 Erfahrene mit unterschiedlichen Erfahrungen. Die meisten kannte ich, oder glaubte ich.
Dann begann unser Weg – jener Teil, den wir gemeinsam bestritten. Und ich lernte Menschen neu und anders kennen, neue Aspekte, neue Erfahrungen. Es wurde gefragt, hinterfragt, diskutiert. Es wurde angeregt. Es wurde so viel angeregt. Es entstand ein Momentum, eine Welle, die einen mitriss.
Und in mir ein immenser Respekt vor diesem Engagement und vor dem Mut. Dem Mut, sich der Ungewissheit zu stellen. Dem Mut, Ideen in die Hand zu nehmen.
Und in mir Fragen. Was braucht es? Was braucht es noch? Tun wir das Richtige?
Ich sehe eine Vielfalt an Erfahrungen und eine Vielfalt an Wegen. Wege, die sich treffen, und Wege, die divergieren und doch zeigt sich ein roter Faden. Ein Faden zieht sich auch durch das Bauwerk… von der Einsamkeit hinaus. Wohin. Ein Netzwerk. Eine Gemeinsamkeit. Oder mehrere.
Ich bin berührt.
VOICE Studie, ein Projekt, bei dem Professionelle und Betroffene, also 12 Expert:innen, über das Thema UHR verschiedenste Themen aufarbeiten, partizipativ, in der Gruppe und doch auch jeder für sich.
Es werden altbekannte Themen aufgeworfen und diskutiert, und doch erscheinen sie durch die Aufarbeitung in der Gruppe in einem völlig neuen Licht. Ich höre über innere Zustände für die es keine klaren Worte gibt, ich höre über Auswirkung von Krankheit und Diagnose, ich höre über Vorurteile und Angst, ich höre über die Wucht von Worten und Taten, ich höre von Individualität und sehr persönlichen Erfahrungen und ich merke den Mut, den solche Situationen manchmal erfordern. Ich höre über Hoffnung, Selbstbestimmung, ich höre über individualisierte Wege aus Krisenzuständen, ich höre beeindruckende Reflexionen über Erlebtes, ich höre interessante Zugänge und Ideen, all das hinterlässt tiefen Eindruck bei mir.
Es ist der gemeinsame-partizipative Austausch, der eine so wertvolle Differenzierung in mir entstehen lässt. Schon immer hat mich die Differenzierung innerer Zustände begeistert, und da ist sie wieder die Begeisterung, die innere Stimme, gerade eben was Wertvolles zu erleben.
Als mich Barbara gefragt hab, ob ich beim VOICE Workshop mitmachen will, war ich Feuer und Flamme, weil ich ganz neu an der Früherkennungsambulanz war und niemanden kannte, der ähnliches durchmacht, wie ich. Ich hab mich vor allem darauf gefreut, Gleichgesinnte kennen zu lernen, mich auszutauschen und mehr über meine Wahrnehmungsänderungen zu erfahren.
Je näher dann der erste Termin rückte, desto nervöser wurde ich. Immerhin hatte ich keine Ahnung wer dort sein würde, worüber wir reden würden und wie ich produktiv zu dem Workshop beitragen könnte. Das einzige, mit dem ich mich beteiligen konnte, waren meine Erfahrungen mit meiner Situation. Ich hatte keine Ahnung von Begriffen, Symptomen, Behandlungsmethoden … ich wusste nur, was ich fühlte und wie ich es ungefähr in Worte fassen konnte. Also ja, ich war sehr aufgeregt, als es losging. Wie sich aber herausstellte, war diese Aufregung unbegründet, denn es war niemandem so wirklich klar, was in dem Workshop passieren wird und was wir besprechen werden. Das haben wir alles beim ersten Termin gemeinsam besprochen und ausgebarbeitet.
Was mir bei allen Workshopterminen am besten gefallen hat, war, dass alle Teilnehmer*innen so gut zugehört haben. Ich habe mich immer verstanden gefühlt, die ganze Aufmerksamkeit war auf mir, wenn ich etwas gesagt habe, jede*r hält Augenkontakt und versucht wirklich zu verstehen, was ich meine. Diese Reaktionen haben noch mehr motiviert mich einzubringen und meine Meinung zu sagen. Die Atmosphäre bei den Workshops fand ich also wirklich fantastisch.
Meine Angst, dass ich mich zu wenig mit der Materie auskannte, ist auch schnell verflogen, da immer Theorie erklärt wurde. Sehr verständlich und quasi von Level 0 sind wir Begrifflichkeiten nochmal durchgegangen und ich konnte sehr gut folgen. Ich hab sehr viel neues über meine Situation erfahren, kann mich jetzt viel besser einordnen und auch verstehen, was passiert ist und passieren kann. Da ich jetzt aber auch mehr Symptome kenne, achte ich viel mehr darauf und bin viel aufmerksamer was Wahrnehmungsänderungen betrifft – ob ich jetzt echt Stimmen höre oder es mir einbilde, weil ich weiß dass das vorkommen kann, ist jetzt die Frage … auf jeden Fall versuche ich nicht zu overthinken!
Die Gruppenarbeiten haben mir sehr viel Spaß gemacht, da denke ich, habe ich auch am meisten gelernt und austauschen können. Die Zeit beim Besprechen & Zusammenarbeiten ist sehr schnell vergangen. Gemeinsam konnten wir einzelne Ideen ausbauen, Probleme besser verstehen und einfach so viel kreativer sein. Die Kleingruppen waren deswegen auch so angenehm, weil wir noch weniger Personen waren und wirklich jede*r Platz bekommen hat zum Erzählen und Nachfragen (das ist in der großen Gruppe auch möglich, aber ich glaub da habe ich es weniger gemacht, weil es eh die kleinen Gruppen gab).
Die Pausen waren für mich auch wichtig, um mit den anderen (vor allem Betroffenen), auch privat zu plaudern, uns auszutauschen und zu erzählen, wie es uns geht und wie wir Situationen erleben. Ich habe mich zum ersten Mal richtig verstanden gefühlt und gemerkt, dass ich nicht alleine bin, sondern dass es Menschen gibt, denen es genauso geht und bei denen es auch schon besser geworden ist. Außerdem sehe ich jetzt, dass so viele Menschen dahinter sind, mir und anderen zu helfen.
Anfänglich war ich aufgeregt und gespannt, wie ein Projekt dieser Art ablaufen wird. Schnell stellte sich heraus, dass sich die Fachexpert*Innen, Patient*Innen sowie Moderator*Innen auf Augenhöhe begegneten. Nachdem die technischen Details im ersten Workshop geklärt waren, wurden die Ziele und Visionen unter den Teilnehmenden besprochen und niedergeschrieben. Hierbei kamen einige für mich sehr wichtige Punkte wie zum Beispiel Entstigmatisierung, Aufklärung und Multiperspektivität. Rückblickend wurden diese Punkte und viele weitere intensiv bearbeitet und neue Initiativen zur Lösung von Problemen geschaffen.
Menschen mit verschiedensten Backgrounds und Ausgangslagen kamen im Rahmen des Workshops zusammen und arbeiteten individuell und in Gruppen an Problemstellungen zum Thema „Psychose“. Im Zuge der Gruppenarbeiten entstanden, meines Erachtens nach, sehr wertvolle Ideen und Ergebnisse durch die Mitarbeit der Fachexpert*innen sowie der „Experts – by – Experience“. Jede Seite brachte ihre eigenen Stärken, mitunter Kreativität, Fachwissen und Erfahrungen in das Projekt mit ein, wodurch sehr faszinierende Resultate entstanden.
Das Setting der Workshops zerschlug das teilweise hierarchisch orientierte Ärztin*in – Patient*in Verhältnis, wodurch es mir rasch leicht viel, sich über bestimmte Themen offen und ehrlich zu unterhalten. Die Stellung der Patient*innen „Expert – by – Experience“ war für mich anerkennend, da Betroffene meist von oben herab in der Familie, Arbeit oder Behandlung betrachtet werden.
Einerseits ermöglichte das Projekt den erkenntnisreichen Austausch mit Ärztin*innen über deren Erfahrungen und Ansichten über das Thema Psychosen, andererseits ergab sich auch die Möglichkeit mit anderen Betroffenen auszutauschen und zuzuhören.
Für mich persönlich war stellte das VOICE Projekt eine einzigartige Möglichkeit dar, das Thema Psychose für mich persönlich und die Allgemeinheit intensiv zu bearbeiten und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Im Rahmen des Projekts wurden Aspekte der Diagnostik, Terminologie und Behandlung kritisch hinterfragt und neue Initiativen geschaffen, um das Thema für die Allgemeinheit zugänglicher zu machen.
Der Aufbau der vier Workshops war professionell und sehr effizient gestaltet. Einerseits durch die interaktiven und austauschbasierten Gruppenarbeiten und andererseits die reflektierenden Einzelarbeiten. Unsere Moderatorin führte uns vom Anfang bis zum Ende mit Elan und Begeisterung durch die Workshops, wodurch ich nie den Überblick und Motivation verlor.
Durch die Mitarbeit beim VOICE – Projekt veränderte sich meine Sichtweise auf das Thema „Psychose naher Symptomatik bzw. Psychose“ maßgebend. Zuvor herrschte viel Unsicherheit bezüglich Kommunikation mit meinen Mitmenschen und mit mir selbst und wie andere Betroffene mit ähnlichen Situationen umgehen. Vor den Workshops war ich der Meinung, ein Mensch hat entweder eine stark ausgeprägte Psychose oder ist gesund. Mittlerweile weiß ich jedoch, dass es viele Abstufungen zwischen diesen zwei Zuständen gibt. Neben diesem Wissen gibt es noch einige weitere Dinge, die ich im Rahmen des Projektes lernte, die für Klarheit und Gewissheit sorgen.
Zusammenfassend, bin ich sehr froh bei diesem Projekt mitgearbeitet haben zu dürfen und konnte einiges für mein Leben mitnehmen. Weiters bin ich überzeugt, dass das Kooperative Forschen zu vielen weiteren Themen und Problemstellungen aufschlussreiche und tiefgründige Erkenntnisse liefern kann und hoffe daher, dass diese Art der Forschung durch Mitwirkung des Projekts VOICE breitere Akzeptanz und Anwendungen findet.
Einen großen Dank an alle Teilnehmenden, und speziell an das Kernteam, das die Workshops sorgfältigst plante und nachbearbeitete.
Der Prozess des VOICE Projektes reichte von der ersten Beschäftigung mit einer mir bisher wenig bekannten Art, Forschung zu betreiben, nämlich der Einbindung von Patient:innen als Co-Forscher:innen, als Expert:innen durch ihre eigenen Erfahrungen, durch die neue Perspektiven geschaffen werden können, zum tatsächlichen Entschluss, einen Antrag für eine finanzielle Förderung zu schreiben. Es folgte die Konkretisierung der Ziele des geplanten Projektes und der Formulierund eines möglichst überzeugenden Konzeptes, welches schließlich die entsprechende Förderung erhielt und somit der Startschuss für das Projekt gefallen war. Dies führte mich konkret zu weiteren, zu bewältigenden Aufgaben, wie zum Beispiel eine passende Moderatorin und Räumlichkeiten für die Workshops zu finden, sowie Co-Forscher:innen und klinische Forscher:innen, die zur Teilnahme motiviert und bereit sind.
Neben Freude und Aufregung, die vor dem Start der Workshops herrschte, gab es mitunter von meiner Seite auch Fragen und Unsicherheiten, verbunden mit dem Gefühl, nicht wirklich zu wissen, was auf mich zukommen wird. Die Abgabe von Kontrolle, die im Rahmen von partizipativen Forschungsprojekten mit steigendem Grad an partizipativer Einbindung der Öffentlichkeit und Patient:innen beschrieben wird, war in diesem Sinn durchaus spürbar.
Insgesamt war der VOICE Prozess für mich eine komplett neue Forschungserfahrung, eine „andere“ Art, wissenschaftlich zu arbeiten und dabei auch mein Wissen und meinen Zugang hinsichtlich der Behandlung von Patient:innen zu erweitern. Das anfängliche Gefühl, nicht zu 100% zu wissen, was auf mich zukommt, erlebte ich anfangs fast etwas irritierend, im weiteren Verlauf aber zunehmend verbindend, da es allen Teilnehmer:innen ähnlich zu gehen schien. Partizipative Forschung war auch den klinischen Forscher:innen ein neues Terrain, daher vielleicht ein umso besserer Ausgangspunkt für einen Start des Projektprozesses auf Augenhöhe.
Die gemeinsame Bearbeitung sowie Reflexion von Inhalten und Vorgangsweisen, die man als Psychiaterin täglich im klinischen Setting betreibt, hat mich über die Workshops hinweg in der Annahme gestärkt, wie relevant und wertvoll der Austausch zwischen klinisch tätigen Personen und den Co-Forscher:innen mit gelebter Erfahrung ist. In einem doch auf seine Weise abgeschlossenen System der Klinik, das innerhalb bestimmter Grenzen und Regeln funktioniert, war das Kennenlernen eines neuen Zugangs für mich sehr inspirierend und Perspektiven öffnend. Unsicherheiten meinerseits, die auch mit dem Prozess einhergingen, beinhalteten häufig die Frage, ob sich die Teilnehmer:innen auch wohl und verstanden fühlen und ob ihnen sinnvoll erscheint, was passiert. Die Unsicherheiten wurden im Laufe Prozesses immer weniger und Vorfreude auf die Workshops löste eventuelle Unsicherheiten, für das „Gelingen“ unterschiedlicher Dinge verantwortlich zu sein, ab.
Aus meiner Sicht erfüllten die Workshops mehrere Funktionen, einerseits den Zugewinn von neuen Perspektiven der experts by experience, andererseits wie bereits erwähnt, eine neue und „andere“ Art, Wissenschaft zu betrachten und zu betreiben, aber auch die Stärkung von den Co-Forscher:innen sich in die Wissenschaft einzubringen und auszutauschen. Zweifel oder Fragen, die im Rahmen meiner Arbeit über die Jahre aufgekommen sind, konnten in der partizipativen Forschung tiefergehend bearbeitet, manchmal aufgelöst, werden. Die Motivation der Co-Forscher:innen als auch meiner Kolleg:innen von der Klinik an diesem partizipativen Projekt teilzunehmen, sich neugierig einzubringen und auch sehr offen über Erfahrungen zu sprechen, hat mich oft bewegt.
Das Gefühl, dass diese inspirierende Zeit der Workshops vorübergeht, der letzte Workshop bevorsteht, erlebe ich als ein wenig schade, so schnell ist die Zeit vorübergegangen. Mit dem Ende der Workshops ergeben sich allerdings auch wieder neue Aufgaben, nämlich, unsere Erkenntnisse zu publizieren, das Projekt auf Kongressen vorzustellen sowie geplante Ziele der Workshops wie z.Bsp. die VOICE – Homepage oder den Instagram Account ins Leben zu rufen. Insgesamt bin ich sehr stolz darauf und froh darüber, dass dieses Projekt stattfindet, vorallem mit so motivierten und interessierten Menschen und erlebe die Zusammenarbeit als große Bereicherung und außergewöhnliche Erfahrung. Daher, von meiner Seite, ein großes Danke für das Engagement und die schönen gemeinsamen Erfahrungen!
Die Workshops, in ihrer zeitlichen Abfolge, waren wie eine kleine Reise. Vor dem ersten, sehr gespannt, was da denn tatsächlich auf uns zu kommt, war die Ungewissheit, Aufregung im Raum zu spüren. Doch ganz anders, als ich es mir erwartet hatte, wurde das Fragezeichen aufgelöst. Gemeinsam wurde der Weg erarbeitet und festgelegt. Die Vorfreude und Euphorie, sich gemeinsam in den kommenden Workshops den festgesetzten Themen und Ideen zu widmen war deutlich wahrnehmbar. Die Gruppenarbeiten, die ich sehr mochte, in immer neu gebildeten Gruppen, waren persönlich als auch hinsichtlich der Ziele, die es zu erarbeiten galt, sehr gewinnbringend. Obwohl ich es im Vorfeld erwartet hatte, war ich dennoch überrascht, hatte es vielleicht auch ein wenig unterschätzt, was ein anderes Umfeld, fernab des Krankenhausesausmacht. Das alles in einem vertrauensvollen und klar geschützten Rahmen, war es eine neue, spannende und bereichernde Erfahrung, Betroffene in einem Forschungsprojekt als gemeinsamen Forscher:innen zu begegnen. Sich dabei über teilweise sehr persönliche Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam mit so viel spürbarer Motivation von allen Seiten der Schaffung diverser Unterprojekte zu widmen, das hatte ich in dem Umfang vorab so nicht erwartet. Besonders hat mir der kreative Zugang vieler Teilnehmer:innen imponiert. Wissenschaftliches als auch klinisches Arbeiten orientiert sich doch oftmals an vorgegebenen Bahnen; diese ein Stück „zu durchbrechen“ und auch die vielen anderen „Kanäle“ an Informationsaustausch für (medizinische) Projekte zu nutzen, ganz niederschwellig und dennoch gut durchdacht, würde ich mir gerne für die Zukunft mitnehmen. Die individuellen Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten, Überschneidungen bezüglich Zugängen, Ansichtsweisen und Meinungen waren sehr bereichernd; sowohl für das Projekt, als auch wie ich denke, für jede/n Einzelne/n.
Man sitzt in einem Kreis. 6 Ärzt*innen. 6 Patient*innen. Die keine mehr sein sollen. Sie sollen nicht Rollen tauschen. Sie sollen ihre Rollen ablegen. Ein kleines Gesellschaftsspiel. Kann es gelingen miteinander zu reden und zu vergessen wer man ist, ohne zu vergessen, was man erlebt hat? Ok. Das klingt so drastisch. Keine*r muss vergessen, wer er*sie ist. Aber vielleicht ein bisschen beiseiteschieben, so ein bisschen die starre Rollenverteilung aufbrechen, weil man ja etwas voneinander lernen könnte.
Die Rollen zwischen Ärzt*in und Patient*in sind üblicherweise klar verteilt. Eine Seite braucht Hilfe, eine Seite leidet. Und die andere Seite hat ein Wissen, sie weiß wie helfen, wie das Leiden möglicherweise beendet werden kann. Manchmal wird dieses Verhältnis dadurch unterstrichen, dass die eine Seite die andere bezahlt. Die andere Seite hat auch die Macht, nach gegeben Richtlinien zu entscheiden, wer krank ist, wer gesund ist. Psychische Störung ja, aber wer wird gestört? Die betroffene Person selbst oder die Gesellschaft durch die Abweichung der Person von einer Norm, die leistungsfähig ist? Natürlich leidet die Person selbst trotzdem darunter. Auch Personen, die sich Schönheitsoperationen unterziehen leiden darunter, dass sie von der Schönheitsnorm abweichen. Zugespitzt gesagt: Was die Schönheit nach Außen ist, ist nach Innen hin die Gesundheit. (Damit meine ich nicht jenen Gesundheitsbegriff, nach dem man sich subjektiv wohlfühlt und frei von Schmerzen oder anderem Leid ist). Sondern die Gesundheit ist gesellschaftlich gesehen auch ein imaginiertes Ideal, dem niemand zu 100% entsprechen kann und das nicht zuletzt auch bestimmte politische Ziele verfolgt. Weil nur wer gesund ist, kann arbeiten, kann leisten im weiteren Sinne.
Ich will nicht sagen, dass den Menschen, die leiden nicht geholfen werden soll. Im Gegenteil. Ich bin natürlich sehr dafür. Aber ich wäre auch dafür, dass wir genauer hinschauen, warum jemand leidet. Und, dass man sich überlegt bis zu welchem Grad das Stigma nicht erst nach der Symptomatik auftaucht, sondern die ganze Zeit schon da lauert und die Symptomatik auch beeinflussen kann. Wenn ich weiß, dass eine gewisse Art von Erlebnis möglicherweise bald meine ganze Existenz bedrohen kann, nehme ich sie anders wahr, als wenn sie zum Leben im Allgemeinen ganz einfach dazugehört. Und die Wahrnehmung meiner Symptomatik oder ganz einfach meiner Erfahrungen (welche auch immer) kann diese, zumindest habe ich es so erlebt, sehr stark beeinflussen. Weil die Angst davor verrückt (verrückt im Sinne auch woanders hingeschoben zu werden, an einen anderen Platz gerückt zu werden in der Gesellschaft) zu werden genauso verrückt machen kann.
Ich habe öfters die Erfahrung gemacht, dass ich ein Problem zuerst persönlich betrachte und dann später draufkomme, dass es irgendwie seine Wurzel auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen hat. Und wenn mein Kopf nicht mehr macht, was ich will? Aber was will ich eigentlich? Kann man den persönlichen Wunsch gesund zu sein wirklich getrennt sehen von einer Gesellschaft in der Gesundheit und mentales Funktionieren als oberstes Gut angesehen wird?
Gesundheit darf nicht bedeuten so sein zu müssen, wie die Norm es verlangt. So sieht die Gesellschaft: Auf der einen Seite die Patient*innen, auf der anderen Seite Ärzt*innen. Einerseits und andererseits. Aber diese Seiten sind immer ein Produkt ihrer Zeiten. Und auch die Trennlinie, die die Seiten erst schafft, wird immer wieder verschoben. Deswegen finde ich dieses Projekt so wichtig, weil Menschen, die mit einem Bein in der „Gesundheit“ und mit dem anderen in der „Verrücktheit“ stehen glaube ich einiges sagen können von den Zugkräften dieser beiden Zustände. Gemeinsam mit Ärzt*innen zu reden und sich auf beiden Seiten nicht zu verlassen auf die Rolle, in der man sich vielleicht auch wohl und sicher fühlt, sondern nach Außen treten und darüber hinaustreten, was diese Rollen auch verhindern können. Ich finde es ist sehr gut, dass erlebtem/erfahrungsbasiertem Wissen eine neue Wichtigkeit beigemessen wird. Mit anderen, die ähnliches erlebt haben darüber zu reden, kann sehr befreiend sein und auch Hoffnung geben.
Ich war überrascht wie gut es schon beim 2. Workshop funktioniert hat, dass alle ihre Rollen eine Zeit lang, zumindest ein bisschen, zur Seite schieben konnten und wir immer auf Augenhöhe diskutiert und einander zugehört haben.
Ich denke letztlich ist ein großer Teil vom mentalen Gesundheitsdiskurs: Nicht nur das Individuum, sondern auch die Gesellschaft muss behandelt werden (in den vielen Bedeutungen die das Wort behandeln hat). Und solche gemeinsamen „Rollenübergreifenden“ Projekte sind, finde ich, ein sehr, sehr wichtiger Schritt dorthin.
Das VOICE Projekt mitgestalten zu dürfen, war ein bereicherndes Erlebnis für mich. Nicht nur konnte ich mit Hilfe der Perspektive der Betroffenen über psychosenahe Symptomatik viel lernen, sondern ich sammelte auch die Erfahrung, wie effektiv partizipative Forschung ist. Die Erkenntnisse, die diese Zusammenarbeit geliefert hat, sind eindeutig dem Format des Austauschs auf Augenhöhe zwischen Betroffenen und Experten zu verdanken. Das Projekt hat mir wieder gezeigt, dass hinter psychiatrischen Beschwerden immer die facettenreichen und kreativen Menschen beachtet werden müssen.